Mal ehrlich gesprochen, bei mir ging es ab 30 fitnesstechnisch eher bergab als bergauf. Corona, der Gemütszustand und die eigene Faulheit mögen daran nicht ganz unbeteiligt gewesen sein 😅. Aber seit etwa einem halben Jahr bin ich wieder bei mir, das alte Wandertier ist zurück! Und es hat Hunger auf MEHR. Mehr erleben, mehr spüren, mehr im Moment leben, mehr Risiko eingehen, mehr laufen und mehr über sich selbst hinauswachsen. Da man all diese Dinge bei einer Extremwanderung im wahrsten Sinne des Wortes auf einmal durchläuft, habe ich mich im Frühjahr zum Mammutmarsch Rhein-Main 2022 angemeldet. In den folgenden Zeilen möchte ich Euch erzählen, wie ich mich auf den Marsch vorbereitet habe und was ich beim Lauf selbst erlebt habe. Ein kleiner Erfahrungsbericht also. Ich wünsche gute Lektüre 📖.
1. Warum ausgerechnet der Mammutmarsch Rhein-Main?
Extremwanderungen gibt es viele. Als ich für mich den Entschluss gefasst hatte, dass ich das Vorhaben Extremwanderung angehen möchte, habe ich mir vorab gut überlegt, welche Ansprüche ich selbst an meine Teilnahme habe und was mir bei einem Wandererlebnis wichtig ist. Dabei habe ich mir folgende Fragen gestellt, die Euch bei der Auswahl eines Laufevents eine Hilfestellung bieten können:
- Welche Distanz möchte ich laufen?
- Lässt mein gesundheitlicher Zustand den Lauf meiner Wunschstrecke zu?
- Wie viel Geld möchte ich investieren?
- Möchte ich alleine oder in einer Gruppe laufen?
- Wie und wann möchte ich zum Event anreisen? / Bin ich bereit längere Anfahrten in Kauf zu nehmen.
Für mich stand relativ schnell fest, dass ich auf jeden Fall eine Strecke laufen möchte, die ich auch ohne wochenlanges Training finishen kann. Da ich auch bei normalen Wanderungen ab und an die 30 km-Marke knacke, war mir klar, dass ich mich durchaus an eine Distanz um die 50 km wagen kann. Bei meinene Überlegungen habe ich auch einfließen lassen, dass ich mit Hallux und Rückenproblemen ggf. nicht mehr so sehr an meine Grenzen gehen kann, wie das noch vor ein paar Jahren der Fall gewesen wäre.
Nach einiger Recherche fiel meine Wahl letztlich auf den Mammutmarsch Rhein-Main. Ausschlaggebend hierfür war vor allem die passende Distanz (55 km in maximal 12 Stunden) und die Nähe zum Wohnort. Ich wollte nämlich die zusätzlich zur Teilnahmegebühr anfallenden Kosten möglichst gering halten. Denn das kann man schon vorab einmal sagen: So eine Teilnahme an einer Extremwanderung geht ins Geld 🙄.
Nach Anmeldung und Überweisung von 62,50 Euro stand dann fest, dass ich am 6. August 2022 laufen werde.
2. Die Vorbereitungsphase
Ich wäre nicht ich, wenn ich nicht improvisieren würde. Und so war meine Vorbereitung auf das Laufevent recht kreativ 🤣. Als erstes habe ich mir eine Verbündete gesucht, meine gute Freundin Jenny, sie zur Teilnahme überredet und dann… ja, dann habe ich erst einmal ein paar Wochen verstreichen lassen und nichts getan. Wenn ihr jetzt den Kopf schüttelt, bin ich gedanklich ganz bei Euch, macht man nicht.
Ende Juni machte sich dann aber die hervorragende Wahl der besten Verbündeten der Welt bemerkbar. Nachdem Jenny mehrfach gefragt hatte, wie ich mich denn auf den Lauf vorbereiten würde, wurde es mir langsam selbst peinlich. Also habe ich angefangen meine tägliche Schrittzahl auf 12.500 Schritte zu erhöhen. Ich kaufte mir noch neue Wandersocken und ein paar Trailrunningschuhe, die ich fortan einlief.
In unserem Urlaub bin ich dann mit Göttergatte und Hund Elli jeden zweiten Tag mindestens 8 Kilometer gewandert, um wieder ein bisschen mehr in Laufroutine zu kommen. Ab Mitte Juli habe ich dann jeden zweiten Tag Yoga oder Dehnübungen eingebaut und bin schließlich 2 Wochen vor Event mit Jenny etwa 42 Kilometer auf dem Rheinsteig probegewandert. Nach dieser Probewanderung hatte ich extreme Schmerzen in der Hüfte und am Fuß, sodass ich den Entschluss fasste meine Trailrunningschuhe doch nicht für den Lauf zu verwenden.
Meine letzte „längere“ Runde (knapp 10 Kilometer) lief ich unter extremen Schmerzen 4 Tage vor dem Mammutmarsch Rhein-Main. Trotz der Schmerzen habe mir jeden Tag immer wieder mantraartig gut zugeredet und gesagt, dass ich den Lauf gut meistern werde.
Am Abend vor dem Laufevent packte ich schließlich meinen Trailrunningrucksack (extra für den Lauf erworben) und stellte meine Wanderstiefel (die guten Renegate von Lowa) bereit. Am nächsten Morgen sollte nämlich schon um 4:30 Uhr der Wecker klingeln. Da ist gute Orga am Abend besonders wichtig!
Ich habe Euch hier noch einmal den Inhalt meines Rucksacks bzw. meine Packliste zusammengefasst (Gewicht ca. 7 Kilo):
- Regencape
- Stirnlampe (war im Endeffekt überflüssig)
- Trinkblase (3 Liter) gefüllt mit Frio Eistee Sport (Sorte Mango-Orange)
- Blasenpflaster
- Magnesiumtabletten
- Teufelskralle Muskel- und Gelenkgel
- Wechselsocken
- Schildkappe als Sonnenschutz
- leerer Becher zum Befüllen an den Versorgungsstationen
- selbstgemachte Protein-Pfannkuchen (das Rezept gibt es hier auf dem Blog)
- Salzbrezeln zum Knabbern
- Proteinreigel (für Notfälle)
- Handy und Powerbank
- Teleskop-Wanderstöcke
3. Der Lauf: ein Auf und Ab der Gefühle
Aufstehen in der Frühe ist nicht so mein Ding. Am 6. August 2022 war es aber erstaunlich leicht für mich, bereits um 4:30 Uhr das kuschelige Bett zu verlassen. Aufregung vermutlich.
Bevor ich mich samt Göttergatten auf den Weg zum Event machte, kochte mir einen starken Kaffee, zog meine Zipp-off-Wanderhose und Baumwoll-T-Shirt an und schlüpfte bereits in die Wandersocken. Wenige Minuten später fuhren wir dann mit der gesamten Ausrüstung zum Startpunkt des Laufes, der sich am Schwimm-Club in Wiesbaden befand. Ich verabschiedete mich von Mann und Hund und watschelte voller Vorfreude und Respekt zum Veranstaltungsgelände. Mit im Gepäck hatte ich eine Entscheidung: Egal, was heute kommen würde, ich würde die 55 Kilometer laufen. Und zwar unter 12 Stunden.
Auf dem Startgelände angekommen erwartete mich das epische Mammutmarsch-Eingangstor, durch das ich voller Elan hindurchschritt. Dann war erst einmal warten angesagt. Warten auf Jenny, die mich ein paar Minuten später gut gelaunt begrüßte. Warten auf Jennys Arbeitskollegin und deren Begleitung. Und natürlich warten auf den Start, der für 7:00 Uhr angesetzt war (wir hatten aufgrund der Hitze eine frühe Startgruppe gewählt).
Um kurz vor 7 konnten wir uns dann registrieren und mit dem Ticket offiziel einchecken. Und dann war es auch schon so weit! Pünktlich um 7:00 Uhr begrüßte uns das Orgateam offiziell. Noch 10, 9, 8, 7, 6, 5, 4, 3, 2, 1 …. loooos! 🥳
Kilometer 1-18: #läuft 🚶♀️
Kurz nach Startschuss läuft es sich grundsätzlich gut! Die ersten Meter waren für uns allerdings an der ein oder anderen Stelle ein wenig unangenehm, da wir anfangs dicht gedrängt in der Startgruppe gelaufen sind. Das Feld sollte sich aber nach etwa einem Kilometer teilen. Die ersten 10 Kilometer vergingen dann gefühlt wie im Flug, ich war selbst überrascht, dass wir so fix vorankamen. Wir liefen mit flottem Schritt und waren ständig am Plaudern. Von Landschaft und Umgebung bekamen wir entsprechend wenig mit. Meine Protein-Pfannkuchen habe ich tatsächlich aber schon alle auf diesem ersten Abschnitt gefuttert.
Und auch nach Kilometer 10 war noch genug Energie und Moivation da, um zügig zur ersten Verpflegungsstation zu gelangen! Diese erreichte wir etwa bei Kilometer 18 und waren begeistert, denn es gab Essiggurken!!! Der beste Snack beim Extremwandern an heißen Tagen! Ok, mag sein, dass wir auch Milchbrötchen und Kaffee schnabuliert haben. Man gönnt sich ja sonst nix 😋.
Kilometer 18-28: Autschn 🥴
Obwohl wir nur 10 Minuten an der Versorgungsstation verbracht haben (kurze Pipipause und Snacks abstauben), habe ich – im Gegensatz zu meinen Begleiterinnen – nach dieser Minipause bereits ein erstes Tief durchleben müssen. Wie befürchtet machten sich meine Hüftschmerzen von den vorherigen Tagen wieder bemerkbar. Für mich hieß es daher „Augen zu und durch“.
Ich will ganz ehrlich sein, wäre ich alleine gewesen, hätte ich vielleicht über’s Aufgeben nachgedacht. Doch die Anwesenheit der 3 anderen Mädels motivierte mich. Vor der Gruppe wollte ich mir keineswegs die Blöße geben. Schon gar nicht vor den jungen Hüpfern (meine Laufbegleiterinnen waren alle jünger als ich). Heißt konkret, dass ich etwa 10 Kilometer eher wenig begeistert durch die Gegegend geeiert bin und mir permanent dachte, dass ich alt bin und mehr Sport machen sollte 😅.
Kilometer 28-45: geht wieder
Es muss irgendwann so um den Kilometer 28 gewesen sein, als es knackte. Ja, es knackte! Hurra, endlich! 🥳 Denn mit dem Knacken waren meine Hüftschmerzen weg. Ein Wunder!
Ab da ging es dann emotional wieder bergauf. Ich merkte, dass ich die Kilometer wieder leichtfüßiger laufen konnte. Die gute Laune war zurück. Wir hatten mehr als die Hälfte der zu bewältigenden Kilometer des Mammutmarsch Rhein-Main gemeistert! Und außerdem näherten wir uns der 2. Versorgungsstation (ca. Kilometer 31). Dort legten wir eine etwa 20 minütige Pause ein. Und wieder hieß es Pipi machen, Snacks abstauben (lecker Kääääääsebrötchen), Getränke auffüllen. Stehen, bloß nicht hinsetzen. Noch einmal tief durchatmen und weiter geht’s!
Während meine Wegbegleiterinnen nun langsam auch körperliche Probleme bekamen, ging es mir weiterhin gut. Bäume hätte ich nicht mehr ausreißen können, aber die Motivation war da. Die Zeit verflog gefühlt auch wieder recht schnell und für mich stand spätestens beim Erreichen der 3. Versorgungsstation (etwa Kilometer 42) fest, dass ich den Lauf definitiv beenden würde. Es war mach- und schaffbar, denn wir lagen gut in der Zeit!
Bei der dritten Versorgungsstation erhielten wir neben Essiggurken (Parteeeeey 🥳) auch eine kleine Abkühlung. Ein Mitglied des Orgateams erfrischte uns mit dem Wasserschlauch und wir waren happy darüber. Kein Wunder, wir hatten um die 30 °C. Ich nutzte unsere etwa 10-minütige Pause noch dafür meinen Trinkbeutel aufzufüllen und schon ging es wieder zurück auf die Strecke.
Wir liefen nun teils entlang von Weinbergen und daher relativ viel in der Sonne. Das machte sich auch an meinem Trinkverhalten bemerkbar. Gefühlt habe ich alle paar Schritte einen Schluck aus dem Schlauch genommen.
Kilometer 45-50: Motivationsloch
Ich bin mir nicht mehr sicher, wann genau es war, aber irgendwann – ich vermute es war um Kilometer 45 – war auf einmal bei uns allen von einem auf den anderen Moment die Luft draußen. Zwei von uns hatten Schmerzen, alle keine Lust mehr. Das klassische Motivationstief hatte uns fest im Griff. Und die Kilometer zogen sich zunehmends in die Länge. Gefühlt kamen wir kaum voran, was zusätzlich auf die Stimmung drückte.
Vielleicht hätte ich mich dieses Tief ohne den Göttergatten bis zum Schluss ertragen müssen. Musste ich aber nicht. Bei Kilometer 50 warteten nämlich gleich mehrere Überraschungen auf mich. Am Wegesrand stand unser Bus Bernd samt Hund Elli und dem besten Mann der Welt. Das gab mir einen ersten Motivationsschub!
Wenige Meter später teilte dann das Mammutmarsch-Team süße Snacks als Überraschung an uns aus. Ich sage nur Cola-Kirsch-Flaschen (die großen)! Ich hätte mich reinsetzen können und war jetzt endgültig wieder motiviert. Meine Freundin Jenny hat übrigens ihr Motivationstief mit viiiiiiel Zucker überwunden, auch eine gute Taktik, wie ich finde 😊. Ich werde wohl nie ihren Satz „Is jetzt auch egal, ich ess jetzt notfalls so lange bis wir da sind.“ vergessen. Sie ist eben die beste.
Kilometer 50-55: I like Mammutmarsch Rhein-Main 🥳
Nachdem wir uns noch einen Hügel hinab gequält hatten (ich habe mich an diesem Tag wirklich über jeden Anstieg gefreut), beschloss ich, dass die letzten 5 Kilometer definitiv spaßiger werden müssen. Also Handy raus und Musik an. Und zwar laut.
Das gute an einer Komplizin wie Jenny ist, dass sie immer an meiner Seite steht. Oder eben singt und tanzt. Genau das haben wir nämlich dann gemacht. Wir sind singend und tanzend die letzten Kilometer quasi ins Ziel geschwebt. Denn mit der Musik war plötzlich alles ganz leicht! Wir hatten Spaß, überholten viele Laufende und haben einige Menschen mit unseren musikalischen Einlagen auch sehr erfreut. Das wundert mich auch nicht, denn ich würde mich auch freuen, wenn jemand lauthals aus Farin Urlaubs „Insel“ zitiert. „Komm doch mal und bring Kokosnüsse mit!“
Tja und irgendwann war es dann da, das Ziel! Es war erschreckend einfach die Ziellinie zu überschreiten und wir haben uns retrospektiv gesehen viel zu verhalten über unsere Ankunft gefreut. Aber hey und yay, wir hatten es geschafft. Das kann uns keiner mehr nehmen!
Übrigens: Nach dem Lauf haben wir uns noch ein Weinschörlchen auf dem Eventgelände gegönnt. Ein schöner Ausklang für diesen ereignisreichen Tag!
4. Meine Tipps für Deinen Lauf
Nun hast Du erfahren, was ich auf meinem Mammutmarsch Rhein-Main erlebt habe. Ich hoffe, dass ich Dir ein paar gute und authentische Einblicke geben konnte. Falls Du auch planst an einer Extremwanderung teilzunehmen, möchte ich Dir noch folgende Tipps ans Herz legen:
- Such Dir eine Laufbegleitung. Zusammen macht es einfach mehr Spaß!
- Versuche die Pausen während des Laufes kurz zu halten und setz Dich möglichst nicht (länger) hin.
- Nimm Dir Wanderstöcke mit, auch wenn das Streckenprofil recht flach ist. Durch die Stöcke verteilst Du das Gewicht auf Deinem Körper besser und nimmst den Beinen ein wenig Arbeit ab. Deine Finger schwellen zudem nicht so schnell an, wenn Du die Arme aktiv ins Laufen einbeziehst.
- Du gewinnst den Lauf zu 80% im Kopf. Mach Dir das bewusst und starte positiv und zuversichtlich in Deine Wanderung. Ich habe mir zwei Wochen lang immer wieder gesagt, dass ich die 55 km meistern werde. Am Starttag selbst habe ich daran nicht mehr wirklich gezweifelt.
- Vorfreude ist die schönste Freude! Ich habe mich gedanklich während der Wanderung oft damit motiviert, dass ich zuhause ein schönes kaltes Radler trinken kann. Solche Dinge können unglaublich motivieren!
Vielleicht hast Du ja weitere Tipps. Teile diese gerne in den Kommentaren. Der Mammutmarsch Rhein-Main wird mit Sicherheit nicht meine letzte Extremwanderung gewesen sein, sodass auch ich mich über neuen Input freue!
Alles Liebe Euer Wandertier Cora